Natürlich haben wir uns vor der Reise über die jeweiligen Einreiseregularien und Straßenverhältnisse der Länder, die wir bereisen möchten, informiert. In dem Reiseführer „Roadtrip Handbuch Balkan-Halbinsel“ steht zu den Verkehrsverhältnissen in Albanien folgendes: „Es wird wenig umsichtig und kaum rücksichtsvoll gefahren nach dem Motto: Wer später bremst, ist länger schnell! Oft ist das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer unberechenbar!“ Auch auf der Webseite vom Auswärtigen Amt wird vor den extrem schlechten Straßenverhältnissen in Albanien sowie riskanten Überholmanövern gewarnt.
In der Tat ist das Verkehrsgeschehen in Albanien für westeuropäische Autofahrer „gewöhnungsbedürftig“ – mehrmals saßen wir sprachlos hinter dem Steuer bzw. auf dem Beifahrersitz ob der Szenerie, die sich uns bot. Auf den Straßen sind Fahrzeuge unterwegs, die bei uns den TÜV schon vor Jahren nicht mehr bestanden hätten und die wir landläufig als „abgewrackte Karre“ bezeichnen würden: ohne Seitenspiegel, unvollständigen Stoßstangen, herunterhängen Unterbodenplatten, fehlenden Rückleuchten… von den Abgaswolken, die manche Fahrzeuge ausstoßen, möchte ich erst gar nicht sprechen. Dennoch alles, was noch fahren kann, fährt auf den Straßen. Alte Mercedes Benz scheinen sich in Albanien großer Beliebtheit zu erfreuen, nahezu jedes 5. Fahrzeug trug den markanten Stern auf der Motorhaube (oder eben nicht mehr!). Die Fahrzeuge werden von ihren Besitzern jedoch gut gepflegt, denn eine weitere Beobachtung, die wir machten, waren die zahllosen „Autowäschen“, die vor allem daran zu erkennen waren, dass mithilfe von Gartenschläuchen am Straßenrand Wasserfontänen auf den Asphalt gespritzt werden. Vielfach wurden wir durch energisches Winken darauf aufmerksam gemacht, dass unser Bulli vermutlich auch dringend eine Reinigung nötig hätte. Neben Fahrzeugen jeglicher Art waren auf den Straßen viele Radfahrer, Fußgänger und Tiere unterwegs – auch auf viel befahrenen Hauptstraßen: auf der vor kurzem eröffneten Autobahn Richtung Tirana lief unvermittelt ein Fußgänger mitten auf der linken Spur. Das plötzliche Anhalten auf der Fahrbahn, um Personen ein- oder aussteigen zu lassen, den Einkauf im Kiosk oder sonstiges zu erledigen, scheint selbstverständlich. Blinken ist optional, das Bedienen des Smartphones am Steuer hingegen obligatorisch. Ab und an fehlt auch plötzlich der Straßenbeleg, fährt man soeben noch auf einer asphaltierten Straße, so wird diese unvermittelt zur Schotterpiste mit tiefen Schlaglöchern. Der Abgleich von Straßenkarte und digitaler Navigation ergab dann häufig, dass wir richtig sein sollten… und nach einigen hundert Metern lag auch wieder eine befahrbare Straße vor uns. Die für uns krasseste Situation erlebten wir jedoch an einer hoch frequentierten Straßenkreuzung, an der aus vier Richtungen Fahrzeuge – ohne Ampel, Kreisverkehr oder sonstige Verkehrsregelung – aneinander vorbei manövrierten, abbiegende LKW mitten auf der Kreuzung standen und Fußgänger zwischen den Autos durchhuschten. Nachdem ich einige Zeit eher vorsichtig abgewartet hatte, ob sich hinter dem Chaos eine Art Regelung wie „rechts vor links“ erkennen ließ, musste ich an den Absatz in dem Reiseführer denken „Wer später bremst, ist länger schnell und das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer ist unberechenbar“, also manövrierte ich den Bulli mit der nötigen Entschlossenheit beim Anfahren über die Kreuzung – glücklicherweise ohne Beule!
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Und dann ist man immer wieder überrascht, dass so wenig passiert.
Ich wünsche euch eine sichere Fahrt!